Ötzi – knapp das Ziel übertroffen

Aus einer winterlichen Bierlaune in Lanzarote heraus geboren, meldeten sich ursprünglich 4 Fahrer des DGD Racing Team beim Ötztaler Radmarathon an (Teamanmeldung). Die statistisch erwartbare Absage (ca. 75 %) durch den Veranstalter verwunderte daher erstmal niemanden. Umso überraschender kam es dann, als man über die Nachrückerregelung einen der begehrten Startplätze ergattern konnte.

Also packte man die Gelegenheit beim Schopfe und inkludierte den Ötztaler Radmarathon kurzerhand ins Rennprogramm für 2023. Als Vorbereitungsveranstaltungen wurden der Radmarathon Rhön sowie L’Alsacienne auserkoren.

Bedingt durch Trainingsrückstand nahmen leider nur Moritz und Heiko die Reise nach Sölden auf sich. Dort bezog man mangels Alternativen eine Unterkunft auf über 2000 Metern (frei nach dem Motto: „sleep high, train high“), die nur über eine waghalsige Schotterpiste zu erreichen war. Walter Röhrl hätte die Anfahrt zum Hotel vermutlich große Freude bereitet.

Am Renntag hatten Moritz und Heiko den Plan, gegen 6 Uhr am Start einzutreffen. Dies klappte auch gut, war bedauerlicherweise trotzdem im Vergleich zu den anderen Teilnehmern ziemlich spät. Unter der Führung von Moritz begann nun eine Durchschlagübung, die jeden Bundeswehrgeneral stolz gemacht hätte. Durch Büsche und Menschenmengen hindurch, schaffte man es, sich seitlich von den Radfahrern bis ca. auf Position 1200 vorzuarbeiten (konnte anhand der Videoaufnahmen grob geschätzt werden). Das Rennen vor den Rennen lief also schonmal gut. Das Wetter war ausgezeichnet und außer Armlingen für den Start konnte in Sommerbekleidung an den Start gegangen werden.

Ungefähr 3 Minuten nachdem die ersten Fahrer losfahren durften, ging das Rennen schließlich auch für Moritz und Heiko los. Da sich die Fahrer erst wieder im Ziel wiedersehen sollten, gibt es diesmal einen geteilten Rennbericht :-).

Heikos Rennbericht (Strava):

Kapitel 1: Sölden bis Ötz (KM 0 – 31.4), 123Watt, 51,4 km/h

Die ersten 30 Kilometer bergab bis Ötz ging es im „Superpeleton“ flott voran und durch geschicktes Durchmogeln konnten bis zum Kühtai einige Hundert Plätze gutgemacht werden. Laut offizieller Zeitmessung war auf dem Abschnitt nur unwesentlich langsamer als die Spitzengruppe.

Kapitel 2: Ötz bis Kühtai (KM 31.4 – 49), 258Watt, 14,1 km/h

Der erste Anstieg wurde streng nach den im Vorfeld berechneten 260 Watt gefahren. Dies erwies sich als genau richtig. Ein flottes Tempo, ohne dass man sich zu sehr verausgaben musste. Dabei wurde ebenfalls bereits an die Verpflegung gedacht und die ersten Riegel gegessen. Schließlich sollte verhindert werden, später im Rennen ins Energiedefizit zu laufen. Bei der ersten Verpflegungsstation auf der Passhöhe war erstaunlich wenig los und sowohl Iso, als auch Gels konnten ohne Anstehen bezogen werden.

Kapitel 3: Kühtai bis Innsbruck (KM 49 – 84), 119 Watt, 54,5 km/h

Dank kurvenarmer Straße und Rückenwind konnte man es auf der Abfahrt vom Kühtai gut laufen lassen. Es wurden Geschwindigkeiten jenseits von 100 km/h erreicht. Dementsprechend schnell erreicht man das Ende der Abfahrt. Von da sind es ca. 10 Kilometer bis Innsbruck. Hier erinnerte sich Heiko an die Ratschläge aus diversen Podcasts, die mit Nachdruck nahelegten, sich nach dem Kühtai einer großen Gruppe Anzuschließen, um danach im Energiesparmodus den Brenner hochfahren zu können. Leider formte sich nur eine Gruppe von ca. 10 Leuten. In der Ferne sah man einer eine deutlich größeres Feld. Also organisierte sich Heiko mit der Gruppe und dank einer gemeinsamen Anstrengung schaffte man es gerade noch rechtzeitig vor Innsbruck auf eine ca. 100 Fahrer große Gruppe aufzufahren.

Kapitel 4: Innsbruck bis Brenner (KM 84 – 120), 209 Watt, 29,1 km/h

In der riesigen Gruppe ging es anschließend, gut im Windschatten versteckt, in einem Affenzahn hoch zum Brennerpass. Die Fahrt im Feld wurde genutzt, um sich zu verpflegen.

Kapitel 5: Brenner bis Sterzing (KM 120 – 137.9), 147 Watt, 41,2 km/h

Die Pause am Brennerpass war leider etwas chaotisch, da neben des Auffüllens der Flaschen auch der Lokus aufgesucht werden musste (eventuell war etwas zu viel Koffein im Getränk). An der Toilette konnte man sich glücklicherweise „dynamisch anstellen“ und schlussendlich nur mit leichter Verzögerung wieder aufs Rad steigen. Im Wissen, dass mit dem Jaufenpass das eigentliche Rennen erst richtig losgeht, fuhr man entspannt den Brenner hinunter bis nach Sterzing, wo man nach einer unnötigen Dorframpe an den Fuß des Jaufenpass gelangte.

Kapitel 6: Sterzing bis Jaufenpass (137.9 – 153.8), 235 Watt, 13 km/h

Ab hier hat man es moralisch schon fast geschafft. Schließlich sind es ab hier ja nur noch 80 Kilometer … und 2 Pässe … und 3000 Höhenmeter 🙂 . Ab hier kann man das Rennen komplett in einem eigenen Tempo fahren, denn Gruppen spielen ab hier keine Rolle mehr. Also wurde auch der Jaufenpass strikt nach Vorgabe gefahren (235 Watt). Dies ging auch erstaunlich gut. Um die Muskeln am sehr gleichmäßigen Anstieg frisch zu halten, wurde ca. alle 2 Minuten kurz im Wiegetritt gefahren.

Kapitel 7: Jaufenpass bis St. Leonhard (153.8 bis 173.5), 23 Watt, 51,3 km/h

Die steile und technische Abfahrt bis St. Leonhard wurde vorsichtiger gefahren als zuvor noch am Kühtai. Während das Kühtai immerhin schonmal mit dem Auto befahren wurde, war der Jaufenpass gänzlich unbekannt war. Außerdem ist der Asphalt nicht immer ideal. Viel Zeit lässt sich in dieser Abfahrt aber ohnehin nicht herausholen. Während der Abfahrt zeichnete sich bereits ab, dass es auf der Alpensüdseite deutlich wärmer sein sollte als noch in Österreich – Ein heißer Föhn blies den Fahrern ins Gesicht.

Kapitel 8: St. Leonhard bis Timmelsjoch (173.5 bis 201.7), 219 Watt, 13,5 km/h

Umso freudiger wurde der einzige selbst organisierte Zwischenstopp erwartet. Denn dankenswerterweise hatte sich Katie mit Erfrischungen in St. Leonhard platziert. Zum Glück hatte Heiko am Vorabend nochmal extra Wasser und Cola geordert. Diese waren bei den Temperaturen auch bitter nötig. Nach einem etwas längeren Plausch (10 Minuten Pause) mache sich Heiko dann auf den Weg zum entscheidenden Abschnitt des Radmarathons hoch zum Timmelsjoch. Die 1600 Höhenmeter am Stück können schon beängstigend sein. Allerdings waren die Beine noch gut und die Vorgabe von 220 Watt konnte erneut genaustens eingehalten werden. Angetrieben durch sich anbahnende Langeweile machte sich Heiko am Timmelsjoch auf die Suche nach einem Gesprächspartner, um den über 2h langen Anstieg moralisch etwas zu verkürzen. Leider war den meisten Fahrern nicht zu reden zumute. Ca. nach der Hälfte des Anstieges traf Heiko aber glücklicherweise auf Extremläufer Florian Neuschwander, der das Rennen nur aus Spaß an der Freude bestritt und daher zu Scherzen aufgelegt war. Dank der netten Unterhaltung erreichte man das Timmelsjoch (gefühlt) deutlich schneller.

Kapitel 9: Timmelsjoch bis Sölden (201.7 bis 225.5), 43,6 km/h, 151 Watt

Eigentlich wollte Heiko während des Rennens nicht auf seine Fahrtzeit schauen. Nachdem er aber von einem anderen Mitfahrer gefragt wurde, ob die 8h10 Minuten am Timmelsjoch reichen würden, um innerhalb von 9h ins Ziel zu kommen, wurde nun doch der Ehrgeiz ein wenig geweckt. Zum einen waren die 9h genau das selbst gesteckte Ziel und zum anderen erschien es im Rahmen des Möglichen, innerhalb von 50 Minuten nach Sölden zu kommen. Also entschied man sich, die letzten Kilometer gemeinsam aufs Gas zu drücken (da wo möglich). Da sich beide Fahrer die Kräfte gut eingeteilt hatten, ging es dementsprechend flott Richtung Ziel. Umso erstaunter war Heiko, als er bereits nach 8h40Minuten und 35 Sekunden vor einer überwältigenden Menschenmenge durchs Ziel fuhr. Damit wurde das eigene Ziel von 9 Stunden deutlich übertroffen, jedoch die Qualifikation für den ersten Startblock, denkbar knapp, um nur 35 Sekunden verpasst. Der Ärger darüber war aber nach 10 Sekunden verflogen.

Fazit

Für fast alle Fahrer, insbesondere die jenseits von 75 Kilo, ist der Ötztaler Radmarathon genauso Radrennen, wie Fresswettkampf. Auch wenn die Nahrungsaufnahme unter Last im Vorfeld geübt wurde, war jeder Riegel und jedes Gel eine Überwindung und der Magen fühlte sich immer latent schlecht an. Nichtsdestotrotz konnte Heiko im Rennen ca. 3700 Kcal essen (7 Liter Iso, 6 Riegel, 13 Gels, 1 Banane und 1 Apfel). Stellt man dies einem geschätzten Kalorienverbrauch von 5800 kcal gegenüber, so war dies zusammen mit den körpereigenen Energiespeichern gerade ausreichend, um nicht leerzulaufen.

Die erste Teilnahme war alles in allem ein großer Spaß und deutlich erfolgreicher als gedacht. Bei sinnvoller Fahrweise kann man das Rennen in Zukunft, sofern man die Lotterie gewinnt, auch mal mit weniger guter Form in Angriff nehmen. Gerne natürlich auch mit noch besserer Form ;-).

Ein Kommentar

Kommentare sind geschlossen.