Rennrad Training in der Schwangerschaft

Das DGD Racing Team hat Ende des Sommers ein Junior-Mitglied bekommen:  Rosalie ist am 16. September während der Corona bedingt verschobenen Tour de France gekommen. Während der Schwangerschaft wollte ich natürlich weiterhin Rennrad fahren und fit bleiben, aber es gab erstaunlich wenig Material online, deswegen wollte ich an dieser Stelle ein bisschen meine Recherchen zusammen tragen und die Technik-Upgrades, die wir in der Zeit durchgeführt haben, um mein Rad an meine Bedürfnisse anzupassen.

Basics

Es gibt tatsächlich erstaunlich wenig aktuelle Forschung zum Thema Sport & Schwangerschaft. Es ist nicht lange her, dass man allen Frauen noch empfohlen hat „sich auszuruhen“ und quasi komplett auf körperliche Aktivität zu verzichten. Bei einer Risikoschwangerschaft kann das natürlich trotzdem stimmen, aber wenn man eine „normale“ Schwangerschaft hat und Ärztin/Hebamme einverstanden sind, kann man durchaus weiter trainieren und hat tatsächlich viele gesundheitliche Vorteile für Mutter und Kind.

Ein gutes Portal mit wissenschaftlich fundierten Informationen bietet die Sporthochschule Köln. Von dieser Seite habe ich mir auch meine Grundpfeiler für mein Training zusammen gesucht:

  • Auf den Körper hören und sich eine Pause gönnen, wenn nötig. Kein „Wettkampf“-style Training, dafür die Belastungen/Strecken fahren, auf die man Lust hat.
  • 7x pro Woche max. 60 Minuten Training.
  • Pulsbereich: 125-145 für Radfahren.

Es gibt natürlich viele Situationen, in denen man gefahrlos auch härter trainieren hätte können, aber dies schien mir eine gute Referenz. Die mich betreuende Hebamme konnte mir zwar zu sportlicher Aktivität raten, konnte mir aber nicht Näheres zu den Radsport bzw. Ausdauersport-Spezifika sagen, weswegen ich meine eigene Recherche betrieben habe.

1. Trimester (Januar-März)

Im ersten Trimester (also die ersten drei Monate) hatte ich noch keine „sichtbare“ körperliche Veränderung, hatte aber mit viel Müdigkeit und Dehnungsschmerzen zu kämpfen. Von der großen Schwangerschaftsübelkeit bin ich weitestgehend verschont geblieben.

Moderates Rollentraining

Vor der Schwangerschaft waren wir mitten im Winter-Rollentraining mit Sufferfest (ca. 15€/Monat) mit Fokus auf kürzere, harte Trainingseinheiten (45min-60min) ergänzt durch längere Grundlageneinheiten. Da die ersten zwölf Wochen als kritische Phase gelten, in der der Körper noch problemlos die Schwangerschaft abbrechen kann, falls irgendetwas mit dem Embryo oder dem Gesundheitszustand der Mutter nicht stimmt, wollte ich kein großes Risiko eingehen, und habe meine Trainingsintensität entsprechend den Basics oben herunter gefahren, obwohl ich mich noch genauso leistungsstark wie vorher gefühlt habe.

 

Yoga

Als super angenehm habe ich unser fast tägliches Yoga Training empfunden. Moritz und ich sind große Fans von Yoga with Adriene und haben während des Lockdowns die verschiedenen „30 days of Yoga“-Serien aneinander gereiht (gratis). Insbesondere die Hüftbeuger-Übungen haben für meine akuten Schmerzen sehr geholfen. Im ersten Trimester ohne Bauch gab es auch noch keine Einschränkungen.

2. Trimester (April-Juni)

Während des zweiten Trimesters war bei mir weiterhin nicht viel von einem Baby-Bauch zu erkennen. Mitte/Ende Juni, also so um die 25. Woche hatte mein Bauch ungefähr die Größe wie nach einem ordentlichen Buffet-Abend nach einem Trainingslager Tag auf Mallorca. Meine Gewichtszunahme hielt sich auch noch sehr stark in Grenzen (ca.+3.5kg).

Rennrad Training

Nach Beendigung unseres Lockdowns konnten wir ab Mai nun endlich wieder draußen fahren. Allerdings war die 1h-Bedingung etwas fies, da dies die Streckenwahl im Ballungsgebiet doch schon stark einschränkt. Ich habe je nach Gefühl dann gewisse Touren auch einmal bis auf zwei Stunden verlängert, wenn die Woche sehr ruhig war, aber dann akribischer auf die Puls-Richtlinien geachtet.

Generell konnte ich schon feststellen, dass meine Leistungsfähigkeit deutlich abgesunken war und mein Puls bei gewohnten Streckenabschnitten deutlich weiter nach oben schiessen wollte. (Größenordnung -25% Strava-Watt).   

Technik Tuning

Obwohl mein Bauch noch nicht sehr groß war, habe ich doch schon bemerkt, das meine Position auf dem Rad etwas unkomfortabler geworden war: Mein Bauch hat etwas an meinen Oberschenkel geschabt. Um mir etwas Luft zu verschaffen, haben wir als erste Maßnahme erst einmal meinen Vorbau (Canyon V13 6° 80mm) umgedreht um schon einmal die Neigung von 8° nach unten in eine Neigung von 8° nach oben zu tauschen. 

Yoga Training

Ab dem zweiten Trimester wird empfohlen auf folgende Positionen zu verzichten: 

  • Bauchlage und Rückenlagen;
  • Übungen, bei denen der Bauch komprimiert wird;
  • Bauchmuskelübungen (zB Crunches – Stabilisationsübungen wie Planks habe ich weiterhin gemacht)

Wir haben weiter gemeinsam die Yoga with Adriene-Videos gemacht und ich habe einfach die entsprechenden Übungen durch weitere Cat/Cows oder Hüftbeuger-Übungen ersetzt. 

3. Trimester (Juli-September)

Spätestens im 3. Trimester haben es viele auch mit den Vorwehen (eine Art Muskeltraining des Körpers für die Geburt) zu tun. Bei mir äußerte sich das in den letzten drei Monaten hauptsächlich durch kurzzeitiges, normal schmerzfreies Hartwerden des Bauchs. Normalerweise hat dies keine Auswirkungen auf die Schwangerschaft, kann aber durchaus den Muttermund schon weiten und zu einer verfrühten Geburt führen. Aus diesem Grund war ich zumindest immer sehr vorsichtig, wenn dies beim Sport passiert ist.

Technik Tuning

Um meinem größer werdenden Bauch gerecht zu werden, musste ein neuer Vorbau her. Die Idee war einen ultra-aggressiven Vorbau (17° Neigung) wieder „falsch herum“ zu montieren um maximal viel Winkel nach Oben zu erzeugen um mir eine möglichst aufrechte Sitzposition zu ermöglichen.

Meine doch sehr eng sitzenden Trikots waren endgültig zu eng und so war ich auf Leihgaben aus dem Team angewiesen (danke nochmal!). Moritz‘ Unterhemden habe ich mir auch gerne geliehen, da sie deutlich länger waren als meine.  

Umstieg auf die Rolle

Im Juli fand auch dieses Jahr das traditionelle Trainingslager Südtirol statt, allerdings für mich ohne Passhighlights (zumindest nicht mit dem Fahrrad). Ich bin in diesem Sommer nur im Tal gefahren – Im Etschtal auch sehr schön! 

(Bild: Etschtalradweg – man sieht: mein Bauch lässt sich trotz 8. Monats noch sehr gut im großen Trikot verstecken)

Nach dem Trainingslager war aber selbst die neue Vorbau-Variante nicht mehr genug. Wieder zuhause angekommen, haben wir mein Fahrrad direkt wieder auf die Rolle gestellt, sodass ich immer noch ein bisschen rollen konnte ohne zwangsläufig die ganze Zeit an den Lenker greifen zu müssen. Hier haben sich zusammengerollte Handtücher als weitere Lenker-Erhöhung gut gemacht.

Da Rosalie es ja sehr eilig hatte, bin ich noch zwei Tage vor ihrer Geburt eine kleine Session gefahren.

Yoga

Yoga haben wir weiterhin bis zur Geburt fast täglich gemacht und ich habe mich immer sehr erfrischt und locker gefühlt nach unseren Einheiten.

Zu Fuß

In den letzten Wochen hat man auch nicht mehr unendlich Lust auf Sporteinheiten, da ja doch immer irgendetwas ziept. Bei mir war es insbesondere Sodbrennen, was ich vermehrt auch auf der Rolle hatte. Als weitere Empfehlung gilt weiterhin einfach viele entspannte Spaziergänge zu machen.

Nach der Geburt

Generell ist nach der Geburt erst einmal piano angesagt, was Sport angeht. In Frankreich gilt die Richtlinie sechs Wochen lang keinen Sport zu machen außer Spazieren gehen. Danach muss man erst einmal mit Beckenbodenübungen anfangen (wenn nicht schon vorher getan!) bevor die Muskulatur wieder bereit ist für anderen Sport.

Generell soll man aufpassen mit Bauchmuskelübungen (für die Hartgesottenen mal „Diastasis recti“ Google Bilder suchen) und Sport vermeiden, wo man viel „hin und her hüpft“ wie bspw. Laufen gehen, da zwar die Gebärmutter relativ schnell wieder auf Ursprungsgröße zurück schrumpft, die Bänder anscheinend noch recht viel länger brauchen um sich wieder auf Normalgröße zu verkürzen.

Ich habe relativ bald wieder mit Yoga angefangen (minus Bauchmuskel-Übungen) und nach sechs Wochen habe ich den Sufferfest 6 Wochen „Transition“ Trainingsplan angefangen, der mit recht kurzen Rad Sessions, aber auch mit einigen Krafteinheiten wieder gut für Stabilität sorgt.

(Meine Fitnesstest Resultate vom „Half Monty Test“/ Sufferland am Anfang des Transitionplans)

Die ersten Rad-Einheiten waren sehr holprig und insbesondere eine gute Sitzposition zu halten war sehr schwierig, aber das hat sich relativ schnell verbessert.

(Full Frontal Fitness Test Resultat nach Transition Trainingsplan: MAP +14, FTP +21) 

Jetzt, über 3 Monate nach Rosalies Geburt, bin ich wieder in mein normales Wintertraining eingestiegen was die Intensität betrifft. Lange Grundlagen-Sessions fallen allerdings flach, da das Baby weiterhin alle 2-3h gestillt werden möchte. Aus diesem Grund fahre ich aktuell einen Intermediate Trainingsplan (ca. 6h/ Woche) von der Sufferfest App.

 

 

 

Dehnen!

Wer kennt das nicht, man hat schön trainiert, schnell das Rad in die Garage, den obligatorischen Liter Apfelschorle reingeschüttet und ab in die Dusche. Das fühlt sich gut an. Aber: ein kleines Detail fehlt zum perfekten Trainingsabschluss: Dehnen. Besonders Oberschenkel, Waden, Nacken und Schultern sollte man nach dem Fahren kurz dehnen, am besten direkt nach der Ankunft. Warum das ganze: die Beweglichkeit wird auf lange Sicht gesichtert, und das Verletzungrisiko sinkt nachweisbar. Dehnen vor dem Training hingegen ist kontraproduktiv, die Muskeln sind kalt und man zerrt sich leicht.
Um konkrete Übungen zu sehen, kann man bisschen googlen oder beim Spinning teilnehmen, dort wird das immer vorbildlich gemacht.

Schwächen bekämpfen

Der Titel klingt ein wenig nach einer Binsenweisheit. Aber wie es eben so ist, mir liegen lange gleichmäßige Anstiege am besten. Und was fährt man am liebsten, genau das. Richtig Zeit verliert man aber meistens wegen seinen Schwächen, auch Begrenzer genannt. Natürlich muss man auch überlegen inwiefern die Begrenzer im jeweiligen Kontext relevant sind. Beim Langstreckenrennen ist eine Sprintschwäche natürlich nicht so entscheident wie bei kurzen Rennen. Ein Kletterer muss aber beispielsweise an seiner Zeitfahrfähigkeit arbeiten und umgekehrt. Man kann nie in allen Punkten gleich gut sein, aber man sollte sich stets fragen und Testen was man besonders gut oder nicht ganz so gut kann. Es nützt der beste Zielsprint nichts wenn einem die Kraft am Berg fehlt.

Also beim Planen des Trainings, gerade etwas später in der Saison immer dieses Konzept erinnern, auch wenn das mehr Qual bedeutet 😉

Ernährung

Ich befasse mich ein wenig mit der Theorie des perfekten Trainings und möchte ein paar verstreute „Weisheiten“ hier veröffentlichen.

Bei der Ernährung kommt es natürlich auf viele Dinge an, und man kann ganze Bücher lesen. Hier sind mal ein paar Schlagworte:

– Eiweiße sind wichtig, und die Gefahr zuviel Proteine zu sich zu nehmen ist eher zu vernachlässigen.

– Fett komplett zu verteufeln ist Unsinn, ungesund sind ungesättigte Fettsäuren und „gehärtetes“ Fett, also das sichtbare Fett am Fleisch zum Beispiel. Fette aus Oliven oder magerem Rindfleisch sind durchaus gesund und führen dazu, dass beim Ausdauersport auch mehr Fett als Kohlenhydrate verbrannt werden. Selbst bei einem nicht gerade übergewichtigem Sportler reichen die Fettreserven 10mal länger als der Kohlenhydratspeicher.

– Genug trinken ist wichtig, Wasser ist dabei gerade im Sommer optimal. Viel hilft viel stimmt in diesem Fall auch nicht, am Tag unnötig viel zu trinken senkt den Elektrolytgehalt im Blut. Das Durstgefühl ist durchaus sinnvoll und kommt nicht oft behauptet viel zu spät (gerade wenn man gerade kein Sport treibt). Ältere Leute verspüren oft weniger Durst und müssen sich daher evtl. zu einer höheren Wasseraufnahme zwingen.

– Der Mensch hat ganz früher sich von Obst/Gemüse und Fleisch ernährt. Darauf ist der Körper immernoch am besten vorbereitet, daher sind Getreide/Milch-Produkte noch in der „Entwicklungsphase“, d.h. der Körper braucht etwas mehr Energie diese zu verarbeiten. Gerade vor einem harten Wettkampf ist nichts gegen Pasta zu sagen, nur eine zu einseitige Ernährung (habe das nicht gerne gelesen 😉 ) in diese Richtung ist eben nicht optimal.

Gerade Vegetarier müssen extrem darauf achten genügend Proteine und Eisen zu sich zu nehmen, sonst drohen ein geschwächtes Immunsystem sowie längere Regenerationsphasen.