Taiwan: KOM Challenge, Taifun und Ureinwohner

Als Sven noch im japanischen Kyoto lebte und dort oft mit seinem italienischen Bekannten Giordano die Hausberge befuhr, wuchs der Plan heran, einmal das benachbarte Taiwan gemeinsam mit dem Rennrad zu erkunden. Diese Idee war aber aufgrund von pandemiebedingten Reisebeschränkungen zu jener Zeit nicht in die Tat umzusetzen. Gut zwei Jahre später, war ihnen das Schicksal (zumindest vorerst, siehe unten) dann aber wohlgesonnen und durch einen glücklichen Zufall fiel eine Dienstreise Svens nach Japan (um einen langersehnten Artikel fertig zu schreiben, siehe arXiv:2309.17308 [math.RT]) genau mit Giordanos Reiseplänen nach Taiwan zusammen, sodass sich beide Reisen trefflich kombinieren ließen.

Die Planung der einwöchigen Reise mit dem Rad durch das taiwanesische Inland wurde weitestgehend von Giordano und seiner taiwanesischen Freundin Jean übernommen, sodass Sven nur für Anwesenheit mit funktionierendem Material (Rose Pro SL 105) in Taipeh am vereinbarten Starttag sorgen musste. Ein weiterer Vorteil (zumindest in der Theorie, mehr dazu weiter unten) war die Existenz eines Begleitfahrzeuges. Denn nur zwei der fünf Reiseteilnehmer (plus ein Taiwanhund) waren selbst angetrieben unterwegs. Das Gepäck mussten die Rennradler daher nicht selber transportieren. Svens ablehnende Haltung gegenüber Bikepacking ist zumindest in Japan wohlbekannt.

Blick vom Begleitfahrzeug aus auf die Radfahrer

Anreise und Fahrradtransport über Japan nach Taiwan verliefen problemlos. Doch dann die böse Überraschung: Taifun Koinu (japanisch für Welpe) kündigte sich an, Taiwan volle Breitseite zu geben. War das Schicksal also doch nicht auf der Seite des deutsch-italienischen Radfahrergespanns? Es blieb spannend.

Geplant waren fünf Fahrradtage, mit den (im wahrsten Wortsinne) Höhepunkten am ersten und letzten Tag. Taiwan ist im Wesentlichen eine sich von Nord nach Süd erstreckende Bergkette im Pazifik. Gipfel von knapp viertausend Metern Höhe machen eine Querung mühsam, und so überrascht es nicht, dass es nur zwei intakte Ost-West-Verbindungen gibt. Einmal den weltberühmten Wulin-Pass im Norden (in 90 km von Meereshöhe auf 3275 m und somit der zweitlängste durchgehend asphaltierte Anstieg der Welt, international bekannt als Taiwan KOM Challenge), und im Süden der Insel den nicht minder beeindruckenden Southern Cross-Island Highway mit 2722 m Höhe. Vor allem durch häufige und starke Regenfälle verursachte Erdrutsche machen beiden Pässen zu schaffen und bedingen ständige Reparaturen und gelegentliche Sperrungen.

Die Idee war jedenfalls, am ersten Radtag von Hualien im Osten den Wulin-Pass in westlicher Richtung zu bewältigen (also genau die Route der berühmten KOM Challenge), den Pass dann aber im Westen abzufahren und die Reise im Inland nach Süden fortzusetzen. Am fünften Tag sollte es dann über den Southern Cross-Island Highway wieder nach Taitung an der Ostküste gehen, wo ein ganz besonderes Erlebnis (ohne Fahrradbezug) auf die Reisegruppe wartete.

Tag 1: KOM Challenge

Glück im Unglück: der Taifun gab der Reisegruppe noch eine Galgenfrist und so konnten Sven und Giordano den Wulin-Pass am Vortag des Taifuns bei bestem Wetter (Sonnenschein und tropisch schwüle 33 Grad im Tal, noch 26 Grad auf 2500 m) angehen. Es war klar, dass Wasser die Hauptsorge sein dürfte. Entlang des 90 km langen und 3275 m hohen Anstieges gibt es bis auf ganz am Anfang und Ende keine Möglichkeit Wasser nachzufüllen. Aber es gab ja ein Begleitfahrzeug, dessen Mitfahrer die beiden Radfahrer mit Trinkwasser versorgen sollten. Blöd nur, wenn besagtes Fahrzeug in einer Straßensperre steckt. Der Pass musste nämlich an mehreren Stellen von Erdrutschen befreit werden und war nur intervallweise befahrbar. Den Radfahrern gelang es, mit etwas Glück, den gesamten Pass mit nur zehn Minuten Zwangspausen zu bewältigen, das Begleitfahrzeug hing aber irgendwann so hoffnungslos zurück, dass klar wurde, dass die bei den schweißtreibenden Temperaturen dringend notwendige Wasserversorgung ausfallen würde. Das war ein Problem, ein großes Problem. Die Radfahrer versuchten, bei etwas reduziertem Tempo möglichst sparsam zu trinken, merkten aber bei über zweitausend Metern Höhe eine einsetzende Dehydrierung. Die Taiwaner sind zum Glück ein sehr hilfsbereites Volk und vor allem die zahlreichen Motorradfahrer, die immer nett zu winken wussten, solidarisierten sich mit den beiden einsamen Radfahrern: bei einer kurzen Baustellenpause spendierten sie großzügig zwei Liter Wasser aus ihrem persönlichen Vorrat. Die Baustellenwärterin brachte dann sogar noch eine Kleinigkeit zu essen.

Aufstieg zum Wulin-Pass durch die Taroko-Schlucht

Gestärkt und mit neuem Mut ging es dann an das letzte (und mit Abstand steilste) Drittel. In der Tat ist der Wulin-Pass gerade am Anfang sehr flach. Dort bummelten und schwätzten die Radfahrer und ließen aus Befahrungssicht sicherlich einige Minuten liegen. Andrerseits war es gerade auch der Plan, für die letzten eintausend Höhenmeter noch einigermaßen frisch zu sein. Diese wurden alsbald erklommen und nach etwa fünfeinhalb Stunden (bereinigt) erreichten die Radler erschöpft, aber wieder gut gelaunt die Passhöhe. Geschafft! Auf der Passhöhe herrschte reges Treiben und man traf einige posierende Radfahrer, die dem Anschein nach aber nur die letzten zweihundert Höhenmeter mit dem Rad bewältigt hatten. Nun gut. Nach einer kurzen Wanderung (Sven barfuß, da mit SPD-SL unterwegs) auf den Gipfel genossen die beiden Radfahrer die phänomenal lange Abfahrt in Richtung Südwesten und erreichten kurz vor Einbruch der Dunkelheit die Unterkunft in Lishan, wo ein Festmahl bereitet aus frischem Gemüse und Obst der lokalen Bauernhöfe auf sie wartete.

Die gesamte Passstraße war übrigens bis auf die zwei, drei Erdrutsche hervorragend asphaltiert.

Tage 2 – 4: Durchs Inland

Um den geneigten Leser nicht zu ermüden, seien die nächsten drei Etappen nur kursorisch erwähnt. Es ging über (teils 60 km lange ohne eine einzige Abzweigung) Nebenstraßen durch das taiwanesische Inland (mit Zwischenhalten am Sonne-Mond-See, in Alishan und Baolai). Dort begegneten die beiden Radfahrer streunenden Hunden, Affen und sehr netten taiwanesischen Ureinwohnern, die oft im Vorbeifahren zuwinkten oder aus dem Moped oder Kleinlaster heraus (auf Chinesisch oder in ihrer eigenen Sprache) anfeuerten. Man merkte: hierhin verirrt sich selten ein Rennradfahrer. Nur einhundert Kilometer von Taipeh entfernt, eine ganz andere Welt. Die Straßen waren wieder erstaunlich gut asphaltiert (der Darmstädter freut sich darüber ja immer besonders), aber auch hier mussten wieder zahlreiche Erdrutsche überwunden werden. Ein Gravelrad wäre sicher von Vorteil gewesen. Sven (zur Erinnerung: mit SPD-SL) entschied sich alles vorsichtig zu fahren, während Giordano (mit SPD) sich oft zum Schieben entschied. Doch dank des ausreichend hoch gewählten Reifendruckes blieben die beiden Radfahrer während der gesamten Reise von Platten verschont. Landschaftlich wechselten sich tropischer Urwald und Tee-, Kaffee-, Kohl- und Palmenplantagen ab. Auf dem Fahrrad wurde es nie langweilig.

Bleibt zu erwähnen, dass das Fahrrad-Duo (mit Ausnahme eines nassen vierten Tages) vom Taifun verschont blieb. Die Berge schirmten es hervorragend vom im Osten des Landes wütenden Wirbelsturm (die Tagesschau berichtete) ab.

Am fünften Tag hätte die West-Ost-Überquerung des 2722 m hohen Southern Cross-Island Highways stattgefunden. Leider stellte sich am Vorabend heraus, dass die Passstraße auf der Ostseite temporär in eine Richtung für Wiederherstellungsarbeiten gesperrt ist. Vielleicht sollte man sagen: zum Glück. Hätte sich dies erst auf der Passhöhe herausgestellt, wären über 300 km nötig gewesen, um die Unterkunft zu erreichen. Eine Katastrophe. Also ging es stattdessen mit dem Auto und einem notwendigen Umweg fast bis zur Südspitze Taiwans bis nach Chishang und am Folgetag ins benachbarte Taitung. Auf dem Weg inspizierte die Fünfergruppe riesige Buddha-Statuen und Tempel.

Tage 5 – 6: Höhepunkte ohne Rad

Aus kultureller Sicht war sicherlich der letzte Reisetag der Höhepunkt der Reise. Die Reisenden hatten die großartige Gelegenheit, am Musikfestival eines Stammes von Eingeborenen (der Amis) teilzunehmen, das alle zwei, drei Jahre stattfindet und mit einigen Tausend Besuchern gut besucht war. Auf die Besucher warteten ein Umzug von Amis (nach Geschlecht und Altersgruppen sortiert) und befreundeten Stämmen in festlichen Trachten, eine gute Mischung aus traditioneller und populärer Musik in austronesischen Sprachen sowie eine hervorragende Verpflegung bestehend aus lokalem Essen und japanischem Bier. Die Aufforderung der Festivalleitung war eindeutig: trinkt und habt Spaß zusammen. Dies wurde von den allermeisten Teilnehmern, uns eingeschlossen, auch sehr fleißig befolgt.

Die Amis bewohnen die ansonsten eher dünn besiedelte Ostküste Taiwans und zeichnen sich im Vergleich zu anderen Stämmen durch besonders farbenfrohe Gewänder aus. Die Männer trugen schwarze, neonfarbenverzierte Miniröcke, teils gekonnt gepaart mit weißen, hochgezogenen Nike-Tennissocken. Aus modischer Sicht ein absoluter Hingucker. Taiwan gilt als die Urheimat der austronesischen Sprachen, zu denen auch Indonesisch und Filipino gehören. Somit kommt dem Erhalt der Sprachen der Ureinwohner Taiwans eine ganz besondere Bedeutung zu. Und was gibt es Besseres, als dies mit einem großen Fest zu verbinden. Ein einmaliges Erlebnis!

Strava-Links Sven: Tag 1, Tag 2, Tag 3, Tag 4

Strava-Links Giordano: Tag 1, Tag 2, Tag 3, Tag 4

Ein 42,19 km Sport-Ereignis – ohne Fahrrad (GMM 2023)

Dem Stammleser dieses Blogs sei vorab gesagt – der folgende Artikel enthält keine Abhandlungen von Kettenabwürfen, kaputten Umwerfern, Platten (trotz oder sogar wegen tubeless?) oder Wahoo/Komoot/Strava Fehlplanungen. Wer denkt, das liegt nur an der professionellen Vorbereitung des Artikel-Verfassers, der täuscht sich. Der Laufsport braucht keine Kette oder Reifen, und gilt daher als sehr pannensicher – oder hat jemand mal einen Läufer im Wald gesehen, der Werkzeug brauchte? Aber genug der Einleitung…

Nach meiner Krebs-Pause 2020 gab es einige Radfahrten aber keine wirklichen sportlichen Ziele oder Rennen. Göttingen 2023 zählt für mich nicht als Rennen – man kann bis 9:00 Uhr schlafen, die Strecke ist schön – und auch für den ambitionierten Hobby Radler machbar. Eine Arbeitskollegin aus UK und ein Studienfreund aus dem Nachbarort fragten mich innerhalb kurzer Zeit beim gemeinsam „Feierabendlauf“ -> Wieso ich denn nichtmal einen Marathon laufe…

Ich habe einige Tage überlegt, aber keine wirklich gute Ausrede gefunden… Das „Projekt Marathon“ war geboren. Es sollte der München Marathon am 08. Oktober 2023 sein, da dieser auch von meinem Studienfreund und Autor meines Trainingsplans anvisiert wurde 🙂

Also ging es nach einigen Trainingsläufen zur Laufanalyse nach Offenbach https://schneider-piecha.de/ (dem Sanitätshaus, in dem auch https://fahrradbiometrie.de/ ansässig ist). Es gab Laufschuhe von Brooks-Ghost mit speziell angepassten Lauf-Einlagen. Zudem wurde zur Telemetrie/Unterhaltung beim Training eine Apple Watch SE 2022 (40mm) angeschafft.

Da nur (gutes) Material kaufen noch keinen Läufer „schnell“ gemacht hat, wurde auch trainiert. Etwa 100- 130km / Monat. Grob eingeteilt in langweilige GA1 Ausdauereinheiten, Intervalleinheiten und wenige schnellere aber kürzere Läufe.

Zum Thema „schnell“ und „langsam“ ergibt sich noch die Frage – was ist eigentlich das Ziel des Projekts Marathon? Zur Auswahl standen: 1. Dabei sein ist alles, 2. Hauptsache ankommen, (es ist ja schließlich der erste Marathon) oder 3. ein Zeitziel. Die Auswahl ist auf 3. gefallen – als Freund von „runden“ Zahlen wurde das Ziel ausgerufen, Marathon in unter 4h.

Mit einer Zielzeit von 4h schlägt man in der Regel 50% der erfolgreichen (also ins Ziel gekommenen) Läufer. Da Laufsport seine eigenen Regeln hat, wird immer von „Pace“ geredet, wenn es um Geschwindigkeit geht – genau genommen ist das der Kehrwert selbiger. Die Einheit der Pace ist min/km. Für das angestrebte Ziel müssen die 5:41 min/km unterboten werden…

In der Woche vor dem Marathon gab es Koffein-Verbot, Laufverbot (aber nur für mich, mein Coach musste unbedingt „weitertrainieren“) – und 3 Tage vorher wurden bereits viele Kohlehydrate gespachtelt. Der Tag vor dem Wettkampf wurde in Ingolstadt zum Auffüllen der Flüssigkeitsspeicher und für einen 6 km „Aktivierungslauf“ genutzt.

Der Wettkampf startete in Startblock B um 9:05 (theoretisch) bei perfektem Wetter. Die Startblockzuteilung war durch reines Eintragen einer Zielzeit beim Anmelden erfolgt. Die sogenannten „Pace-Maker“ waren sinnigerweise alle auf 9:00 getrimmt, sodass es für mich, mit der realen Start-Linien-Überquerung um 9:08,1s – komplett nutzlos war, mich an einer solchen Gruppe zu orientieren. Also musste ein teuflischer Plan her – nur die Apple-Watch und ich – gegen die „Uhr“.

Dank Wettkampfaufregung war der Puls direkt nach dem 1. km bei 159 bpm. Die Idee war einfach: Sich über die ersten 21km einen kleinen Puffer zu erarbeiten, ohne dabei zu viele Körner zu lassen. Mein längster Trainingslauf waren 30km. Alle sagten mir – bei km 30 kommt der Mann mit dem großen Hammer. Da es Berge nicht gab, und Windschatten beim Rumgurken mit 10-11km/h nichts bringt, konnte man sich voll auf Puls/Pacing und regelmäßiges Trinken konzentrieren. Es wurden 4x 67ml Hydro-Gels in der Geschmacksrichtung orange ins Radtrickot (ja, liebe Radsportfreunde, doch noch was gefunden :)) und 2x Hydro-Gels Cola (mit jeweils 100mg Coffein) in die Laufhosentasche gesteckt. Die Laune war gut, die Pace (5:33) und der Puls (=165 bpm) stabil. Jeder km wurde mit Vibrations-Alarm der Apfel-Uhr zelebriert. Die ersten Gels wurden bei km 7 und 14 bzw. 20 aus dem Trikot gezaubert. An den Verpflegungsständen wurden aus dem Lauf heraus Wasserbecher mit genommen bzw. getrunken – und in einigen Fällen sogar fachgerecht durchs Werfen in die aufgestellten Müllbehälter entsorgt. Von km 7 bis 20 war der Puls bis auf +- 1 Schlag angetackert bei 165 bpm und jeder km ergab einige Sekunden zusätzliches „Polster“. Alles in allem eine perfekte 1. Hälfte. (5:33,7 Gesamt-Pace); zur guten Stimmung haben neben vielen Zuschauern an der Strecke zwei Live Bands beigetragen.

Bei km 21+22 war es dann soweit -> die Wohlfühl-Pace ist auf 5:45 und 5:46 „eingebrochen“, der Puls blieb stabil bei 165 bpm. Ein Joker musste her, diese Zeiten bis km 42 halten zu wollen, ohne auch nur eine Sekunde Reserve zu haben, grenzt an russisch Roulette. Vor allem, was tückisch ist: Wer sagt einem, wie lang die Strecke laut GPS-Uhr ist? Wer garantiert mir, dass ich 42,19 km laufe – und nicht 42,3 oder sogar 42,5, weil „kein Grip auf der Ideallinie“ war? Steve Jobs leider nicht mehr… 🙁

Der Joker hieß Hydro-Gel Cola und wurde aus der Tasche gezogen. Das Gel habe ich langsam über 1,5km verteilt zugeführt, um langfristige Wirkung zu erzielen. Die Pace ist auf den folgenden 3 km wieder deutlich unter 5:40 gewesen, und hat den Puls auf 173bpm gehoben, aber mich zurück auf Kurs gebracht (25km, Pace 5:34,6). Ein Glück, waren es nur noch 17,2 km bis ins Ziel, weshalb ich den Joker an der Stelle Trick 17 taufe.

Zitat „Die ironische Wendung „Trick 17 mit Selbstüberlistung“ bezeichnet jedoch als spöttischer Kommentar einen (meist vermeintlich raffinierten) Lösungsansatz, der auf mehr oder minder komische Weise scheitert.“

Das waren also super Aussichten. Zurück zum Renngeschehen – der 28. km wurde mit 5:45 zurückgelegt, welcher natürlich etwas Puffer kostete, aber etwas Puffer ist ja eingeplant. Km 29-32 grenzten an einer Katastrophe. Trotz trinken bzw. Gel Einsatz war die Pace bei 6min. 10km bis zum Ziel und die Sicherheit – das ist zu langsam! Die Beine beginnen an zu brennen – der Mann mit dem großen Hammer ist da! Dieser bringt nicht nur Schmerzen, sondern laut Puls-Uhr auch einen niedrigen Puls von „nur noch 166 bpm“. Und alle Sportler wissen es – Puls ist wie Spülmittel: Viel hilft viel!

Die folgende Methode ist nicht zum Nachmachen zu Hause geeignet: Externes Pacing – sich an jemand oder jemandin dran hängen, die eigentlich zu schnell läuft, sämtliche Körperreaktionen / Kopfbefehle ignorieren – einfach nur hinterher! DANKE Sophie #2740 – Das Highlight der Aktion: bei km 34 und 35 mit jeweils 5:34 und 176 bpm.

An der vorletzten Verpflegungsstation bei km 36 oder 37 verliere ich Sophie, warum genau weiß ich nicht mehr. Die Pace war gut, der Puls weiter im Anschlag. Dass diese Aktion natürlich nicht ohne Folgen bleiben sollte, zeigt sich nach km 39. Ein Gefühl von leicht einsetzenden Krämpfen und katastrophaler Pace von 6:21. Auf die Uhr gucken und noch irgendwas „checken“ – Fehlanzeige. Ob die Kilometer auf den Schildern noch zu jener auf der Uhr passen – kA. Die Apple-Watch hat auf jeden Fall schon was von 5% oder 10% Akku – bitte Laden angezeigt – und ist daher nicht mehr mein Trumpf. Die letzte Verpflegungsstation baut sich vor mir auf. (Da gehen ja wohl nur die hin, die sich ihr Rennen schlecht eingeteilt haben…..)

….und ich! – Die Angst, beim Anhalten Krämpfe zu kriegen und, wie schon viele andere Mitläufer am Straßenrand zu liegen, wird ignoriert – Alle mit genommenen Gels waren alle. Es folgt kurzes Gehen und Wasser, ekeliges Iso und ein Stück Banane! Es folgt das letzte Loslaufen, erfreulicherweise ohne Krampf 🙂 Es sind nur noch 2,2km – und die Uhr zeigt 5:40 gesamt Pace, das kann zu viel sein… Das Einlaufen Richtung Olympia Park/Station ist voller Zuschauer gespickt. 5:32 und 5:35 mit 178bpm – mit dem Gefühl es KÖNNTE reichen. „Schlusssprint“ (350m mit 5:15).

Ich drücke „Training-Beenden“ auf der Watch – sie zeigt 3:59min 27s. Das offizielle Timing bestätigt eine 3:59:28s. Ich kann kaum noch gehen, aber verdrücke einige Freuden/Stolz-Tränen – Das gesetzte Ziel „einfach nur für mich“ ist erreicht! Besonders wenn ich daran denke, dass ich vor genau 3 Jahren am „Tropf“ hing und sportlich gar nichts mehr konnte… So kann ich heute wieder sagen: Läuft bei mir – diesmal aber im besseren Kontext!

Ich danke an der Stelle allen, die mich auf dem Weg dahin unterstützt haben!

European Gravel Championships 2023

Nachdem im Mai mit dem „3Rides Gravel“ in Aachen das erste Gravelrennen für das DGD Racing Team auf dem Programm gestanden hatte, wurde spontan entschieden, sich für die Gravel-Europameisterschaften im belgischen Brabant (bei Leuven) anzumelden. Die EM ist Teil der UCI Gravel World Series 2024 und es werden sowohl die Europameister als auch die belgischen Meister gekürt. Weiterhin kann sich über das Rennen auch für die WM 2024 qualifiziert werden, die ganz in der Nähe im schönen Leuven stattfinden wird.

Die frühe Anreise am Samstag wurde von Daniel und Heiko genutzt, um alle Streckenkilometer probe Fahren zu können. Das Rennen besteht (abhängig von der Altersklasse) aus drei kurzen Runden durch die dichten Wälder südlich von Leuven und einer langen Runde Richtung Brüssel und zurück. Bei gemütlichem Tempo und bestem Wetter wurde die Strecke erkundet und folgende Erkenntnisse gemacht: keine langen Anstiege, mehrere technische Abfahrten, viel Kopfsteinpflaster, viele schöne Feldwege, viel feiner Schotter und im Wesentlichen kein Matsch oder Gras. Insgesamt eine sehr schöne Strecke, die zwar schnell, aber im Renntempo sicherlich nicht leicht sein würde.

Die Startunterlagen bei der Europameisterschaft wurden von Funktionären der UCI höchstpersönlich ausgegeben. Hierbei traf man auf den klassischen Sportfunktionär, wie er im Buche steht: männlich, mit Wohlstandbauch, etwas in die Jahre gekommen und aalglatt (Jede Assoziation zu Willi Konrad wäre natürlich völlig aus der Luft gegriffen). Auf seinen Kommentar „We do it for the money“, wusste Heiko auch nicht mehr zu sagen, als dass Sie sich ja mal bei den Ironman-Veranstaltern Tipps holen können, wie man den Teilnehmern noch mehr Geld aus der Tasche ziehen kann. Immerhin war man sich sicher, dass die Startgebühr der fast 2000 Teilnehmer im nahegelegenen Sternerestaurant Arenberg sinnvoll investiert wurde. Das Starterfeld war sehr prominent besetzt. Neben der gesamte europäische Gravelelite nahmen auch viele aktuelle und ehemalige Straßenprofis am Rennen teil. Teilzeit-Radrennfahrer Valtteri Bottas war ebenfalls am Start.

Aufgrund des sommerlichen Wetters Anfang Oktober, der späten Startzeit von 12 Uhr und der geschätzten Fahrzeit von 4h15min musste sich im Rennen auf eine „Hitzeschlacht“ eingestellt werden. Demzufolge wurde wieder die bewährte Strategie mit einer dritten Trinkflasche in der Trikottasche angewendet. Dies sollte sich als gute Wahl erweisen. Ca. 45 Minuten vor Rennstart fanden sich Daniel und Heiko im Startblock ein. Dies erlaubte zwar eine ordentliche Position in der Mitte des Blocks, bedeutete aber auch, dass man noch ein wenig in der Sonne gegrillt wurde. Die Renntaktik war klar: keine unnötigen Risiken eingehen und versuchen zusammenzubleiben. Ersteres konnte erreicht werden, letzteres leider nicht.

Direkt nach dem Start ging es nach einer scharfen Linkskurve von der Zielgeraden auf einen schmalen und steilen Waldweg. Dort kam es, wie zu erwarten war, zum ersten Stau. Hier wurden Daniel und Heiko trotz flotter Fahrt von vielen übermotivierten Fahrern überholt. Nach dem ersten Anstieg war das Feld aber glücklicherweise etwas ausgedünnt und man konnte relativ schnell seinen Rhythmus finden. Ungünstigerweise verloren sich Daniel und Heiko bereits in den ersten 5 Rennminuten und fuhren ab dann ihr Rennen getrennt.

Ein wiederkehrendes Thema des Rennens waren bedauerlicherweise die vielen Kettenabwürfe, die sowohl am Ridley als auch am Stevens vorkamen. Nachdem man am Vortag schon festgestellt hatte, dass dies in den technischen und holprigen Abfahrten auch ohne Schalten passieren kann, wurde im Rennen mehr nach dem Prinzip Hoffnung gefahren. Ohne Erfolg. Insgesamt hatte Daniel 3 Abwürfe und Heiko ganze 6! . Hier muss auf jeden Fall nochmal technisch nachgerüstet werden.

Ansonsten lief das Rennen für Heiko insgesamt gut. Die Verpflegung mit Essen im Rennen klappte gut und es konnte bis zum Schluss des Rennens Druck auf das Pedal gebracht werden. In der letzten Runde dienten die Geräusche des sich nähernden TV-Helikopters nochmal als Motivation, sich nicht von der Spitze des Eliterennens überrunden zu lassen. Mit Erfolg. So kam Heiko nach 4h9min in Ziel, knapp 1 Minute vor Jasper Stuyven. Leider wurde damit die WM-Qualifikation denkbar knapp um eine Minute verpasst. Daniel war nach dem frühen ersten Kettenabwurf weiter hinten im Feld einsortiert und war dauerhaft mit deutlich schwächeren Fahrern in Gruppen. Dadurch vergrößerte sich sein Rückstand kontinuierlich und er kam mit einer Zeit von 4h21min ins Ziel. Dort wurde sich dann erstmal ein eiskaltes Jupiler gegönnt.

Insgesamt war das Event, vor allem im Vergleich zu Aachen, einem Gravelrennen würdig. Positiv zu erwähnen waren auch die Tausenden Zuschauer am Streckenrand, die von der Elite bis zum Hobbyfahrer alle Athleten frenetisch anfeuerten. Hier macht sich klar bemerkbar, dass Fahrradfahren in Belgien Nationalsport ist.

Epilog: Daniel und Heiko entschieden sich dazu, das Rennen in einem leckeren griechischen Restaurant in Leuven ausklingen zu lassen. Die Anreise zu Fuß klappte auf dem Hinweg auch gut. Auf dem Rückweg im Dunkeln wurden die beiden aber von der Apple-Maps-Navigation „komooted“ und der eingezeichnete Fußweg endete nach einer längeren Durchschlagübung durch hohes Gestrüpp in einem Schilfhain. Ein Umdrehen war unausweichlich. Schlussendlich konnte das Hotel trotz des ungewollten Umwegs, wenn auch mit nassen Füßen, erreicht werden.

Riderman 2023 – Flachetappe

Endlich Sonne – die frischen Temperaturen am Morgen sorgten kurzzeitig für Armlinge an beiden Fahrern. Diese wurden jedoch 10:30 Uhr ins Auto verfrachtete, es war schlichtweg warm. Beide Fahrer durften in Startblock B starten, dieser war sehr knapp bemessen, sodass Heiko nach einem Prerace-Pitstopp ganz hinten im Block war. Wie üblich war der Rennbeginn geprägt von Hektik, es gab immerhin keine Stürze aber Hinz und Kunz wollte natürlich ganz vorne fahren. Dieses Mal musste Heiko am ersten Anstieg ein paar Körner investieren um zu Daniel aufzuschließen welcher dann direkt auch nochmal kurz verschärfte. Beim zweiten (kurzen) Hügel gab es den ersten Gruppensplit – Daniel fühlte sich gut und anstatt sinnlos zu führen wurde eine harte Attacke gefahren – mit Erfolg, es wurde tatsächlich die nächste Gruppe erreicht. Dort waren dann 7 Leute zusammen, fast alle Aerodrücker die aber eher im RTF- als im Rennmodus waren. Auf dem langen Flachen Stück wurde dann mit 8 von 30 Leuten „gekreiselt“ – ohne nennenswert schnell zu sein allerdings. Es kam wie es kommen musste, die bereits knapp 1 Minute distanzierte Gruppe fuhr wieder heran (den Verlauf sieht man bei Strava Flyby). Die Attacke war also lediglich für die Galerie, Heiko konnte hingegen taktisch sinnvoll fahren (das Pattern des Rennens heute). Auf der längeren und schmalen Abfahrt nach Blumberg war Daniel recht weit hinten im Feld, was dann beim Hauptanstieg des Tages durch Opferdingen der auf einem schmalen Weg begann zu Stau führte. Erst durch beherztes „links“ Rufen gab es allmählich Platz. Die Frage zum Geschwindigkeitsdelta beantwortete Daniel lapidar mit „es ist ein Radrennen“. Da sich die Beine weiter gut fühlten, wurde etwas freier Asphalt zwischen Daniel und die Gruppe gebracht. Heiko ging ebenfalls mit und fuhr eine Führung, wollte aber dann taktisch sinnvoll nicht überpacen. Bei dreiviertel des Berges kam dann die Gruppe von hinten, der Wind half da sicher mit und es war keine „all-in“ Attacke. Um Kraft zu sparen, platzierte sich Daniel (im Gegensatz zu Heiko) etwas weiter hinten in der großen Gruppe, was aber beim Anstieg nach Fürstenberg noch revidiert wurde und als 3. durch die Bergwertung gefahren wurde. Die Schlussrampe in Aasen hatte Daniel allerdings nicht mehr auf dem Radar, dort gab es dann wirklich fast Stillstand – und den befürchteten Gruppensplit. Es gab immerhin noch ein paar andere motivierte Fahrer, letztlich musste die Lücke von Daniel aber mit 2 beherzten Sprints schließen – Heiko war natürlich dort platziert und lies es sich erneut nicht nehmen beim Zielsprint mitzugehen. Die Gruppe kam auf Platz 160 rein, die Durchschnittsgeschwindigkeit war für die 1250Hm mit 38,5km/h recht hoch. Gesamtwertung nach 3 Tagen: Platz 104 für Daniel und Platz 120 für Heiko.